Der Schauspieler Kevin Kline erzählt, wie er beim Drehen fast in die Seine gefallen wäre. Und dass er zuwenig verdient. Der StZ-Autor Patrick Heidmann hat den US-Star in Toronto zur Premiere von „My Old Lady“ getroffen.

Toronto - In den achtziger Jahren ist Kevin Kline mit „Ein Fisch namens Wanda“ in der Rolle des Otto weltberühmt geworden und gewann einen Oscar. Seit dieser Woche ist sein neuester Film „My Old Lady“ in den Kinos, der fast eine Rückkehr zu den Wurzeln ist. Regisseur Israel Horowitz nahm sein eigenes Theaterstück als Vorlage und holte mit Maggie Smith und Kristin Scott Thomas zwei weitere Bühnengrößen vor die Kamera. Wir trafen Kline zum Interview in Toronto am Tag, nachdem die Tragikomödie Weltpremiere gefeiert hatte.
Mr. Kline, verglichen mit den neunziger Jahren sieht man Sie aktuell nicht allzu häufig im Kino. Verlieren Sie die Lust am Beruf?
Davon kann gar keine Rede sein. Und vergessen Sie nicht, dass manche Filme auch einfach nicht in Deutschland ins Kino kommen. So wie kürzlich „The Last of Robin Hood“, in dem ich Erol Flynn spielte.
Da haben Sie recht. Aber insgesamt arbeiten Sie doch auch einfach weniger, oder?
Stimmt schon. Zunächst einmal, weil ich von Natur aus einfach faul bin. Aber darüber hinaus eben auch ein bisschen wählerisch, was meine Rollen angeht. Im Idealfall sollte mir jeder neue Film eine kleine Herausforderung bieten. Ich will mich als Schauspieler gefordert fühlen. Mir machen Geschichten keinen Spaß, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich daraus nichts machen kann und sie es eigentlich nicht unbedingt wert sind, erzählt zu werden.
Was reizte Sie denn an Ihrem neuen Film „My Old Lady“?
Hier haben mich das Drehbuch und die Figur einfach sofort angesprochen. Wobei die Geschichte, als ich sie das erste Mal las, ja noch ein Theaterstück war. Daran teilzuhaben, wie Israel Horovitz daraus einen Film macht, hat viel Spaß gemacht. Überhaupt gefiel mir einfach sein Szenario. Ein Amerikaner, der eine tolle Wohnung in Paris erbt, in der aber eine störrische Alte noch Wohnrecht hat, das ist doch ohne Frage erzählenswert. Und definitiv ein besserer Grund, diesen Film zu drehen als das Geld.
Oha, fühlen Sie sich unterbezahlt?
Von dem, was ich für „My Old Lady“ bekommen habe, hätte ich in New York meine komplette Familie zum Lunch einladen können. Mehr nicht. (lacht) Ich übertreibe natürlich. Aber kleine Filme wie dieser sind wahrlich nicht die, mit denen man reich wird.
Haben Sie noch Bauchgrimmen, wenn Sie – wie in diesem Fall – in einem Film in wirklich jeder Szene zu sehen sind?
Nicht wirklich. So etwas kann mich heute nicht mehr schrecken. Aber das heißt nicht, dass „My Old Lady“ mich nicht vor Aufgaben stellte, die mich auf die Probe stellten. Denn der Mann, den ich spiele, ist kein unkomplizierter Kerl, sondern sehr facettenreich und eben wirklich menschlich. Wie überhaupt der ganze Tonfall der Geschichte nicht unbedingt leicht zu treffen war, so zwischen Tragik und Komik. Aber genau das macht die Sache natürlich interessant. Für mich als Darsteller genauso wie hoffentlich für das Publikum. Nicht zu vergessen die Sache mit der Seine!
Sie meinen die Szene, in der Sie am Fluss schlafen?
Genau die! Und ich schlafe ja nicht einfach am Ufer, sondern tatsächlich auf der Mauer, die den Weg vom Wasser trennt. Da hätte man schon ziemlich leicht reinfallen können.
Aber Sie werden doch irgendwie gesichert worden sein.
Natürlich wurde mir zugesagt, dass Vorkehrungen getroffen werden. Immerhin drehten wir die Szene in der morgendlichen Dämmerung, um 5.30 Uhr. Da war wegen der Müdigkeit schon Vorsicht angebracht. Aber wir haben nun mal keinen großen Blockbuster mit hohem Budget gedreht, wo Versicherungen auf lauter Kabel und alles Drumherum bestanden hätten. Also wurde mir lediglich ein Seil um die Hüfte gebunden, das man unter meinem Hemd verstecken konnte. Muss das nicht noch irgendwo anders befestigt werden, fragte ich. Mit der Antwort, die dann kam, hatte ich nicht gerechnet (lacht): nö, aber wenn Du ins Wasser fällst, kannst Du uns das Seil zu werfen und wir ziehen dich heraus. So viel zum Thema Sicherheit!
Vor dem kalten Wasser der Seine hatten Sie also mindestens so viel Respekt wie vor der Arbeit mit einer Ikone wie Maggie Smith.
Ach, die wunderbare Maggie Smith. Ich habe erfreulicherweise schon häufig die Erfahrung gemacht, dass diese legendären Kollegen, die von außen geradezu überlebensgroß wirken, ganz wunderbar bodenständig und natürlich vor allem enorm professionell sind, wenn man mit ihnen arbeitet. Und ehe man sich versieht, werden sie manchmal sogar zu Freunden. Das war mit Maggie Smith jetzt nicht anders als vergangenes Jahr mit Robert de Niro, Michael Douglas und Morgan Freeman im Film „Last Vegas“.
Wofür ja auch eine über 30 Jahre dauernde Karriere spricht. Werden Sie eigentlich nostalgisch, wenn Sie das heutige Hollywood mit dem aus den Achtzigern vergleichen?
Ach, für mich ist es nicht unbedingt die Frage, ob damals alles besser war. Aber dass sich unsere Branche grundlegend verändert hat, lässt sich nicht leugnen. Die Filme, die ich damals drehte, würde heute wohl kein Studio mehr finanzieren. Und gleichzeitig kann heutzutage jeder einen Film drehen, zur Not auf seinem iPhone. Das hat einige Nachteile. Aber prinzipiell finde ich es nicht verkehrt, dass man heute viel günstiger Filme drehen kann als früher.